Mit Vorbereitung kann aus Zufall Innovation werden
Ein Wahlspruch des ehemaligen EvonikVorstandes, Alfred Oberholz, lautet so: "Forschung verwandelt Geld in Wissen Innovation verwandelt Wissen in Geld". Das Scharnier zwischen Wissen und Innovation bildet häufig die "Serendipity", ein viel strapazierter, aber selten verstandener Begriff. Was es damit auf sich hat, lässt sich beispielhaft an einigen Innovationen demonstrieren, die im vergangenen Jahrhundert im englischen Cambridge gelangen.
Diese alte Universitätsstadt, die heute oft im Schatten ihres amerikanischen Ablegers steht, hat eine überragende Bedeutung für die Arzeimittelforschung, billige schuhe denn dort ist die Molekularbiologie entstanden, geboren aus dem Geist der Physik, vor allem dank Erwin Schrödinger, ohne dessen Dubliner Vorlesung "What is life?" von 1943 sich weder Crick noch Franklin oder Wilkins und Watson so sehr für die Struktur unserer Erbinformation interessiert hätten.
Auch die ersten Modelle lebenswichtiger Proteine entstanden in Cambridge. Dort feierten ferner die Methoden zur Sequenzierung von Proteinen und von Nukleinsäuren Premiere, wurden die monoklonalen Antikörper erfunden und nicht zuletzt wesentliche Beiträge zur Dechiffrierung unserer Erbinformation geleistet. All das geschah am Laboratory for Molecular Biology (LMB), und seinem Vorgänger, dem Cavendish Labor für Physik.
Die Produktivität dieses Instituts hatte mit seiner Atmosphäre zu tun, die von zwei Personen geprägt war. Vom Schirmherrn Lawrence Bragg, der zusammen mit seinem Vater William und Max von Laue kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Röntgenkristallographie erfunden hatte und dafür 1915 als 25Jähriger mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden war. 1937 hatte er von Ernest Rutherford die Leitung des Cavendish übernommen. Die zweite Persönlichkeit hieß Max Perutz ein Wiener Wissenschaftler des Jahrgangs 1914.
Alles Administrative war Perutz nur Mittel zu dem Zweck, erstklassigen Forschern optimale Arbeitsbedingungen zu bieten. Er vermied es, wie eigentlich vorgesehen, als Gründungsdirektor des LMB zu fungieren, sondern zog die Rolle des moderierenden Chairman vor. Die Abteilungsleiter hatten völlige Freiheit, ihre Forschung zu gestalten. Der Vorstand traf sich selten, Protokolle seiner Sitzungen existieren nicht. Der erste staatliche Gutachter zeigte sich aber positiv überrascht von der Produktivität in dieser "etwas anarchistischen Atmosphäre".
Perutz lag daran, seine Mitarbeiter zu mischen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Das wesentliche Werkzeug dazu war die Cafteria im Dachgeschoss. Dort schuf er einen Ort der Begegnung für alle seine Leute, vom Laboranten bis zum Spitzenforscher. Diese intensive Kommunikation erwies sich als fruchtbar: Innerhalb von 40 Jahren brachte das LMB acht Nobelpreisträger hervor.
Das CafteriaPrinzip ist heute vielerorts eingeführt vielleicht aber nicht konsequent genug, wie der Blick auf das LMB zeigt: Ehrgeizige Ziele, Begeisterung, gemeinsame Verantwortung bei offenem Gedankenaustausch über die Grenzen der Disziplinen hinweg, Spitzenforschung getragen von der Fähigkeit, zu träumen und diesen Träumen die Treue zu halten solche Elemente schaffen Raum und Zeit für die Zufälle, die einer wirklichen Innovation meist vorausgehen. Dafür hat sich das Wort Serendipity eingebürgert.
Dieses Wort wird heute inflationär gebraucht: Serendipity lässt sich rund zehn Millionen Mal googeln man findet es im Ladenschild von Buch und Modegeschäften ebenso wie als Markenzeichen von intelligenter Software. Das bis in die sechziger Jahre selten verwendete Wort scheint, wie der Soziologe Merton in seinem Buch "The travels and adventures of Serendipity"feststellt, eine "Disneyartige Floskel für Vergnügen, angenehme Gefühle, Freude oder Glück" zu sein. Es hieß "Die drei Prinzen von Serendip": Während Ihre Hoheiten auf Reisen waren, entdeckten sie immer wieder, sei es durch Zufall oder Urteilskraft, Dinge, nach denen sie gar nicht gesucht hatten.".
Aus Walpoles Zusammenfassung folgt dreierlei: Erstens: Serendipity ist kein Gegenbegriff zur Strategie. Serendipity fällt einem nicht in den Schoß, sondern taucht erst auf, wenn man bereits mit einem Ziel im Kopf unterwegs ist. Der Zufall allein schafft keine Serendipity. Diese verlangt nämlich nach Zufall plus Urteilskraft also nach Geistesgegenwart.
Zweitens: Der glücklich ergriffene Zufall eröffnet dem darauf vorbereiteten Forscher den Blick in einen neuen, unerwarteten Bezirk der Wirklichkeit. Eines der folgenreichsten Beispiele dafür ist die Entdeckung der Röntgenstrahlen. Röntgen hat darüber nur ein einziges Mal öffentlich gesprochen, mit einem amerikanischen Journalisten im Februar 1896. Dessen Bericht erschien im April 1896 in McClure's Magazine. Ein Ausschnitt:
"Herr Professor, was haben Sie entdeckt? Ich arbeitete mit einer Vakuumröhre, die mit schwarzer Pappe abgedichtet war. Auf dem Labortisch nike air max 2013 lag ein Stück BariumPlatincyanidPapier. Ich hatte gerade einen Strahl durch die Röhre gesandt da fiel mir eine merkwürdige schwarze Linie auf dem Papier auf. Was hatte das zu bedeuten? Es war ein Effekt, der nur durch irgendeine Lichtstrahlung hervorgerufen worden sein konnte. Aus der Röhre konnte kein Licht gekommen sein, denn diese war durch die Pappe für alle bekannten Formen von Licht undurchlässig. Und was haben Sie gedacht? Ich dachte nichts; ich habe die Sache erforscht".
Nicht nachdenken, sondern erforschen: Prägnanter kann man das Wesen von Serendipity kaum fassen. Merkwürdig ist, dass sie von Forschern einerseits herbeigewünscht, andererseits gering geschätzt wird, wie Röntgens rätselhaftes Verhalten nach seiner Entdeckung zeigt: Nach drei Publikationen über seine Entdeckung zog er sich aus der Forschung darüber zurück. Großherzig verzichtete er auf eine Patentierung und verweigerte alle Einladungen zu Kongressen, ja er war sogar geschickt genug, seiner Pflicht, eine Nobelpreisrede zu halten, zu entkommen.
Im Sommer 1925 wurde in Dayton im USBundesstatt Tennessee der Biologielehrer John Thomas Scopes zu einer Geldstrafe von 100 Dollar verurteilt. Er hatte im Unterricht den Darwinismus behandelt, obwohl doch ein Landesgesetz verbot, "die göttliche Abstammung des Menschen zu leugnen". Nike air max Die Löwen, die in dem Film "Out of Africa" 1985 mitspielten, wurden für die Dreharbeiten aus Kalifornien nach Kenia importiert. In Kenia hätte es zwar auch Löwen gegeben, aber ein Gesetz verbot dort den Einsatz wilder Tiere für Filmaufnahmen.
Die erste Eisenbahn konstruierte der walisische Bergwerksingenieur Richard Trevithick im Jahr 1803, 22 Jahre vor George Stephenson. Seine Dampfmaschine auf Schienen wurde jedoch nur zum Kohletransport unter Tage eingesetzt, weshalb die ffentlichkeit keine Notiz von der Erfindung nahm. Der erste Autoführerschein der Welt (für Fahrten bis 20 km/h Höchstgeschwindigkeit) wurde am 8. Weitere Informationen, insbesondere darüber, ob und wie personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden, finden Sie in unseren DatenschutzbestimmungenDie Moderation der Kommentare liegt allein bei DIE WELT. Allgemein gilt: Kritische Kommentare und Diskussionen sind willkommen, Beschimpfungen / Beleidigungen hingegen werden entfernt. Wie wir moderieren, erklären wir in der Nutzungsbedingungen.
